Mentale Stärke macht den Unterschied – Weltmeisterin Nia Künzer über mentale Stärke im Fußball
Nia, was bedeutet für Dich mentale Stärke im Fußball?
Ich bin davon überzeugt, dass mentale Stärke den Unterschied machen kann. Vor allem in besonderen Situationen, wie zum Beispiel in entscheidenden Spielen, mit schwierigen Rahmenbedingungen oder auch bei Verletzungen.
Wie hast Du Dich mental auf die Spiele vorbereitet oder war das Thema der mentalen Vorbereitung da noch gar nicht so aktuell?
Damals war das noch nicht so ein präsentes Thema. Der Fußball gehörte in der Vergangenheit in einigen Bereichen nicht immer zu den Vorreitern bzw. fortschrittlichsten Sportarten. Hier hat sich in den letzten Jahren doch viel getan. Das liegt sicher auch an einer neuen sehr gut ausgebildeten Trainergeneration.
In meiner aktiven Zeit stand mir kein Mentalcoach zur Verfügung. Ich habe in jungen Jahren viel mit mir selbst ausgemacht – mehr oder weniger gut ... Rückblickend hätte mir sicher jemand helfen können z. B. Fehler schneller abzuhaken und mich zu fokussieren. So haben eher unbewusst meine Eltern, mein Partner oder auch mein Reha-Trainer mich durch gute und schlechte Zeiten begleitet.
Bei der Fußballweltmeisterschaft 2003 in den USA hast Du im Finale gegen Schweden das Golden Goal geschossen und damit Deutschland zum Weltmeister gemacht. Was ging Dir da durch den Kopf?
Und welche Auswirkungen hatte das für Dich? Bei diesem Tor ging mir so viel und gleichzeitig so wenig durch den Kopf. Der Ball ist drin, das Spiel ist aus, wir sind Weltmeister. Das dauerte ein paar hundertstel Sekunden – und dann waren auch schon zum Glück meine Mitspielerinnen da und der Jubel grenzenlos. Das Tor hat für mich in der Öffentlichkeit natürlich viel verändert, auch wenn ich die Leistung des Teams immer wieder betont habe. Nach drei Kreuzbandrissen nochmal zurückzukommen und Weltmeister zu werden, dafür bin ich sehr dankbar. Dieser Erfolg hat mir Türen geöffnet, durchgehen musste ich allerdings schon selbst. In Kombination mit meinem abgeschlossenen Studium waren dies gute Voraussetzungen für meinen beruflichen Weg.
Wie bist Du mental da rein in dieses Spiel?
Im Halbfinale hatte ich gar keine Einsatzzeit. Trotzdem war ich darauf gefasst, eingewechselt zu werden. Nachdem unsere Bundestrainerin Tina Theune uns zum warmmachen geschickt hatte, war die Nervosität schon sehr groß. Das Spiel stand Spitz auf Knopf, es war ein offener Schlagabtausch. Tina hat mir dann in der 98. Minute mit auf den Weg gegeben, hinten kein Tor zuzulassen und vorne eins zu machen. Ganz ehrlich, ich war total überfordert, hätte schon früher das Spiel entscheiden können und war einfach nur erleichtert, dass mit dem Tor auch das Spiel zu Ende war.
Wie gehst Du heute mit dem Erfolg um?
Erfolge erlebt man im Sport schon ganz anders als im Privaten oder Beruflichen. Aber auch heute habe ich Ziele und freue mich, wenn ich diese erreiche. Grundsätzlich bin ich sehr dankbar für meine Familien- und Lebenssituation und weiß dies wertzuschätzen.
Was ist dein Wunsch für den Fußball in Zukunft was mentales Training angeht?
Fußball und alles, was damit zusammenhängt, ist so komplex, die Frage kann man eigentlich nur schwer in Kürze beantworten. Es ist schön zu sehen, wie viele Mädchen mittlerweile Fußball spielen. Sport kann Lebenskompetenzen vermitteln, aber auch einfach riesigen Spaß machen. Jedes Mädchen sollte diese Erfahrung mal gemacht haben. Mentales Training kann insbesondere im Leistungssport den Unterschied ausmachen. Im Breitensport kann es Menschen aber ebenso helfen, sich weiterzuentwickeln.