Mentaltraining – und was es bedeutet in den Augen einer Fecht-Weltmeisterin
Vom Spitzensport kann man so einiges lernen. Für Unternehmen wird es nach und nach Selbstverständlichkeit, Trainingsmethoden aus dem Sport auf das Business zu übertragen. Eine dieser Methoden ist Mentaltraining. Wie Sportler damit Höchstleistung gelingt, habe ich die Weltmeisterin und zweifache Medaillengewinnerin der Olympischen Spiele in Sydney 2000 Rita König-Römer gefragt. Dieses Interview möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:
Rita, erst mal herzlichen Dank, dass ich Dich zum Thema mentale Vorbereitung in der Wettkampfphase interviewen darf. Ich möchte auch direkt loslegen: Wie hast Du Dich früher mental auf den Wettkampf vorbereitet?
Als Sportler trainiert man täglich mit festen Zielen vor Augen. Der Wettkampf ist immer ein Höhepunkt in unserer Wettkampfplanung. Körperlich muss man an diesem Tag topfit sein, aber auch die mentale Vorbereitung ist eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Wettkampf. Mental setzt man sich im Vorfeld mit der Situation im Wettkampf auseinander, projiziert Bilder im Kopf und stellt sich Kampfsituationen vor. Hindernisse im Kopf werden ausgeblendet, man weiß einfach, worauf man sich fokussieren sollte. Durch Selbstgespräche werden Ängste und Bedenken aufgearbeitet. Man braucht daher körperlich und auch mental ein gutes Gefühl, positive Stimmung und die Lust, den Wettkampf als Herausforderung anzunehmen.
Was bedeutet für Dich mentales Training und wie hilfreich ist es für Dich immer gewesen?
Mentales Training und damit die mentale Vorbereitung war für mich als Fechterin elementar wichtig. Ein Kampf auf der Planche wird in den meisten Fällen mental entschieden. Das Know-how zu erlernen, wie man mit schwierigen Situationen umgeht, ist essentiell, wenn man erfolgreich sein möchte. Selbstmotivation, Selbstbeherrschung und die notwendige mentale Kontrolle in schwierigen Situationen zeichnen Topathleten aus.
Was ging Dir durch den Kopf, wenn Du kurz vor dem Wettkampf warst? Wie hast Du Dich innerlich beruhigt und gestärkt?
Kurz vor dem Wettkampf war ich stets fokussiert auf das Ziel, welches ich mir gesetzt habe. Wichtig war für mich, dass ich gut in den Wettkampf starte und ich mich von nichts ablenken lasse. Die Anspannung, je näher der Wettkampf kam, spürte ich jedes Mal. Die Fahrt zur Wettkampfhalle, die ersten Fechtschritte, diese Situationen kennen wir alle. Man strahlt nach außen Ruhe aus, weil man konzentriert ist, innerlich aber brodelt es in einem. Das ist auch notwendig, denn wenn der Motor warm ist, kann er auch Höchstleistungen bringen.
Dann kennst Du ja auch die Analysemethode der Potenzialanalysen AECdisc, wenn es darum geht, Talente sichtbar zu machen. Wie sinnvoll siehst Du die Arbeit damit?
Als ich das erste Mal die AECdisc Potenzialanalyse kennengelernt habe, war für mich sofort klar, dass man diese Analyse gerade im Sportbereich wunderbar einsetzen kann. Über meine eigene Analyse musste ich schmunzeln, weil sie so treffend war. Man lernt sich durch die Analyse kennen und das ist elementar wichtig. Die Analyse ist ein Top-Tool im Coaching-Bereich.
Wann setzt Du heute die AECdisc Potenzialanalyse immer ein?
Diese Aalyse wird bei unseren Fechtern am Olympiastützpunkt Tauberbischofsheim eingesetzt. Gerade, als sich Carolin Golobytskyi für die Olympischen Spiele in Rio qualifiziert hat, hatten wir sie gebeten, den Fragebogen zur Analyse auszufüllen. Die Auswertung ihrer Analyse und die daraus resultierende Selbstreflektion hat uns während der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele begleitet.
Welche Erkenntnisse und Vorteile ziehst Du daraus?
Anhand der Analysen können wir die Persönlichkeiten der Sportler besser kennenlernen. Gerade die Motivationsfaktoren, welche Bestandteil der Analyse sind, bringen uns im Training und Wettkampf große Vorteile. Sie liefern uns Anhaltspunkte, wie wir unsere Athleten zu besseren Leistungen hinführen können. Aber auch die Kommunikation zwischen Trainer und Athlet ist für eine Weiterentwicklung elementar wichtig. Hier liefert die Analyse tolle Anhaltspunkte für den Trainer.
Was war Deine größte Niederlage und wie bist Du damit umgegangen?
Ich kann heute nicht beantworten, welche Niederlage in meinem Leben die größte war. Viele Niederlagen begleiten meinen Lebensweg, sowohl sportlich als auch im privaten Bereich. Niederlagen und Fehler gehören zum Leben. Der Umgang mit ihnen ist stets schmerzhaft und das darf auch sein. Enttäuschungen, Verletzungen, geplatzte Träume zeigen uns auf, dass wir alle fehlbar sind und das ist auch gut so.
Ich habe stets versucht, zu analysieren, woran es lag und was ich hätte anders machen können. Oft bin ich aber zu der Erkenntnis gekommen, dass man natürlich aus Niederlagen lernen, aber man nicht allzu viel Zeit dafür opfern sollte, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Dinge, die ich nicht mehr ändern kann, sollten mich auch nicht allzu sehr beschäftigen.
Vor Deinem Olympia-Triumph, war da was anderes in Deinen Gedanken? Oder anders gefragt: Hast Du gespürt, was Du heute erreichen wirst?
Die Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele verliefen sehr gut. Ich war demütig und dankbar, dass ich nach Sydney reisen durfte, um dort bei den Olympischen Spielen zu fechten. Das war schon immer mein Ziel gewesen und endlich wurde es wahr. Ich konnte die Atmosphäre im Olympischen Dorf und während der Spiele jeden Tag genießen. Ich fand die Stimmung und die sportbegeisterten Menschen um mich herum einfach fantastisch. So erlebte ich den Wettkampftag als ein Geschenk. Ich wollte unbedingt gut fechten, denn das war das Ziel, das ich mir gesetzt hatte. Gespürt habe ich, dass ich in guter Form war. Mein Kopf war frei und ich wollte unbedingt zeigen, was ich draufhabe. Und siehe da, die Rechnung ging auf!
Gibt es etwas, das Du sofort ändern würdest? Etwas, das den mentalen Bereich der Sportler positiv verbessern würde?
Meiner Meinung nach leistet in vielen Fällen der Trainer die mentale Arbeit mit seinen Athleten. Trainer und Athlet stehen in einer engen Beziehung. Dies ist jedoch in meinen Augen nicht ausreichend, denn sowohl Trainer als auch Athleten brauchen qualifizierte Unterstützung und Hilfestellung, damit neben dem sportlichen Teil auch der mentale Bereich optimal ausgeschöpft ist. Welche Persönlichkeiten prallen denn hierbei aufeinander? Sprechen sie die gleiche Sprache? Wo liegen die Motivationsfaktoren bei den jeweiligen Athleten? Für ein professionelles Umfeld ist somit ein Mentaltrainer mehr als essentiell.
Ich danke Dir sehr für Deine aufrichtigen Worte, liebe Rita!